Die Mittelbauinitiative Leipzig hat für 2015 einen Adventskalender mit Aussagen aus einer Umfrage mit Beschäftigten des Mittelbaus erstellt! Jeden Tag ein Türchen mit Einblicken in die persönliche Perspektive – bis Weihnachten.
Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz – „Eine Lizenz zum Befristen“
Beim Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) handelt es sich um ein Sondergesetz, das bundesweit Befristungen von wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter_innen in einer Qualifikationsphase regelt. Mit diesem Gesetz wird anerkannt, dass Beschäftigte während einer Qualifizierung außerhalb des Teilzeit- und Befristungsgesetzes befristet angestellt werden können. Es gibt ein Höchstmaß der dafür zur Verfügung stehenden Zeit als Regel vor, um die Zeitspanne der Befristungen einer einzelnen Person auf ein zumutbares Maß zu begrenzen.
Die Anlage zur Fehlfunktion dieses Gesetzes liegt allerdings in der fehlenden Eingrenzung seines Wirkungsbereichs. So wurde es zum grundlegenden Instrument der Verzerrungen in der Beschäftigungslage im wissenschaftlichen und künstlerischen Mittelbau – mit 90% befristet Beschäftigten an Universitäten und Forschungszentren bundesweit. Auch die gebräuchliche ultra-kurze Dauer der befristeten Verträge – mit über der Hälfte von unter einem Jahr Laufzeit – kann und konnte nur durch das Gesetz legitimiert werden. Es fehlt eine verbindliche Festlegung der Mindestlaufzeit (wenigstens) für Erstvertragsabschlüsse. Da nicht klar geregelt ist, was unter einer ‚Qualifikation‘ zu verstehen ist, fehlt außerdem eine einforderbare Verantwortlichkeit für die tatsächliche und substantielle Qualifizierung der betroffenen Beschäftigten.
Von der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) wurde die in seiner Struktur angelegte Möglichkeit des Missbrauchs des Gesetzes – und der tatsächliche steile Anstieg der Befristungen seit seiner Wirksamkeit – in intensiver Auseinandersetzung konstruktiv und lösungsorientiert problematisiert. Schließlich wurde in diesem Jahr wurde unter Ägide der Bundesbildungsministerin Johanna Wanka endlich seine Novelle angeschoben.
Die Optimierungen, auf die mit der Novelle zu hoffen war, und die berechtigten Erwartungen zerfließen jedoch zusehends. Positiv zu bemerken ist, dass im jetzt diskutierten Entwurf die Mitarbeiter_innen aus Technik und Verwaltung nicht mehr unter Bezugnahme auf dieses Gesetz befristet werden können. Weiterhin ist endlich die Zuständigkeit für studentische Hilfskräfte klar entfallen.
Die Praxis der ungehemmten Befristung wissenschaftlicher und künstlerischer Mitarbeiter_innen wird durch die Novelle (nach ihrem jetzigen Stand) jedoch kaum eingedämmt werden. Noch immer fehlt die Definition dessen, was unter Qualifizierung verstanden und seriös zur Befristung nach dem WissZeitVG freigegeben werden kann. Im zukünftigen Gesetzestext muss verfügt werden, dass die Art der Qualifikation im Arbeitsvertrag dargelegt wird und dass die Arbeit an der Qualifikation Teil der Arbeitszeit ist. Es müssen Mindestlaufzeiten der Verträge festgelegt werden. Es widerspricht der Logik des Gesetzesursprungs, wenn insbesondere die Erstvertragsabschlüsse nicht dem Ziel der Qualifikation bzw. bei Projekten der Länge der Projektlaufzeit angepasst sind. Der Stellentyp Lehrkraft für besondere Aufgaben, der konzipiert worden war, um Lehrende aus der Praxis mit Expert_innenwissen/-fertigkeiten langfristig an die Universität zu binden, muss aus dem Wirkungsbereich dieses Gesetzes ausgeschlossen werden. Außerdem ist zu fordern, dass Perspektiven nach der Qualifikation – z. B. in Form von Tenure-Track-Optionen – ausgebaut werden.
Termine zur Novelle:
Am 16.10. gab es eine Beratung im Bundesrat.
Am Donnerstag, 5.11., & Freitag, 6.11., findet die erste Lesung im Bundestag statt.
Öffentliche Anhörung am 11.11.; anschließende Beratung 2.12.
2. & 3. Lesung und Beschlussfassung im Januar 2016.
"Traumjob Wissenschaft" - Informationsstand in der Uni Oldenburg
Die Aktionswoche der GEW zum Thema “Traumjob Wissenschaft” hat heute mit einer Auftaktaktion in Berlin begonnen.
Auch in Oldenburg wird es eine Veranstaltung geben: Am Dienstag, 3.11.2015, ab 11:30 wird im Mensafoyer der Carl von Ossietzky Universität zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz und auch den angestoßenen niedersächsischen Novellen informiert. Kommt vorbei! Oder macht gleich mit!
Quantität der Promotionen als Thema in der Podiumsdiskussion
Am 28.10.2015 haben die Graduiertenschulen der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg eine Podiumsdiskussion zum Thema Wissenschaft als Beruf mit toller Besetzung auch auswärtiger Expert_innen veranstaltet. Diese Veranstaltung ist ein Lichtblick, denn sie zeigt an, dass das Thema „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ die Hochschule an verschiedenen Stellen bewegt und dass Bereitschaft zur Auseinandersetzung in Diskussionen besteht. Trotzdem sind die Gefühle, mit denen man aus so einer Veranstaltung herausgeht, aber gemischt. Denn es wird auch deutlich, dass es zum Anstoß von Initiativen mehr als die jeweilige Gesprächsbereitschaft bedarf. Die Erörterung der aufgrund der Gaststruktur sehr heterogenen Perspektiven dienen erst einmal dazu die jeweiligen Positionen zu verdeutlichen.
Markus Glötzel aus der Mittelbauinitiative hat z. B. die Aufmerksamkeit auf die Quantität der zugelassenen – und nach Wissenschaftszeitvertragsgesetz an den Vertragsabschluss gebundenen – Promotionen gelenkt. Dass diese Stoßrichtung bei anderen Gästen z. T. auf Unverständnis traf, zeigt, dass noch nicht ganz deutlich geworden ist, dass der Gebrauch des Gesetzes einen Sog weg von den klassischen Qualifikationsstrukturen entwickelt hat. Demnach wird eine massiv angestiegene Anzahl von Zulassungen zur Promotion nicht als Effekt des Befristungsinstrumentes gesehen, sondern als bewusste Entscheidung zur Distinktion und sollte natürlich niedrigschwellig zugänglich sein. Weiterhin wird die prekäre Beschäftigungslage insgesamt erst einmal nicht nur als unproblematisch gesehen. Vielmehr stellt die ultimative Flexibilität im wissenschaftlichen Beschäftigungsapparat der Universität – allerdings nur in der Statusgruppe Mittelbau – sogar einen Selbstzweck dar: Qualifikationsstellen sollen schnellstmöglich wieder frei werden. Klar! Schließlich ist die Qualifikationszeit per definitionem nur ein Übergangsstadium.
Dass dies in der Praxis aber eher als Hire-and-Fire-Prinzip funktioniert wird an vielen Stellen deutlich. Ein Beispiel ist die Situation der ‚Überlast‘ von Studierenden an den Universitäten in den letzten Jahren: Um das Plus an Lehre und Betreuung zu bewältigen, muss vermehrt Personal an die Universitäten gebracht werden – kurzfristig! – und wird mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz zur Qualifikation eingestellt. Darüber, ob und wie diese damit eingeforderten Forschungsprojekte überhaupt in produktive und bedeutsame Strukturen an den Hochschulen eingefasst werden und werden können, muss noch weiter diskutiert werden!
Podiumsdiskussion
Die Graduiertenschulen 3GO und OLTECH und die Graduiertenakademie der Universität Oldenburg veranstalten am 28.10.2015 um 18 Uhr im BIS-Saal die Podiumsdiskussion „Wissenschaft im Beruf. Promotion zwischen Forschung, Qualifikation und Berufseinstieg“.
Als Teilnehmer ist auch Markus Glötzel von der Mittelbauinitiative eingeladen. Kommt und diskutiert mit! Hier können wir den wichtigen Themen des Mittelbaus aus unserer Perspektive ein Forum geben.