Worum geht's?

Viele Menschen mit akademischer Ausbildung träumen davon, in Wissenschaft und Forschung zu arbeiten. Ein Blick auf die immer schwieriger werdenden Arbeitsbedingungen lässt diese Traumjobs aber schnell zum Alptraum werden. Deshalb hat sich an der Carl von Ossietzky Universität im Frühjahr eine Initiative gegründet, die sich die Verbesserung der Situation des so genannten Mittelbaus zum Ziel gesetzt hat.

Deutschland wird gerne als Bildungsrepublik und innovativer Forschungsstandort gepriesen. Wissenschaft steht hierzulande hoch im Kurs und die politisch Verantwortlichen lassen sich die Förderung derselben scheinbar einiges kosten. So wurden beispielsweise in den letzten Jahren im Rahmen der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern mehrere Milliarden Euro als Förderungen in die Universitäten gepumpt. Statt allerdings eine ausgewogene Grundfinanzierung der Hochschulen zu sichern und einen freies Studium für alle zu ermöglichen, begeben sich die Unis in einen zweifelhaften Wettbewerb, um vielleicht als neue Eliteuniversitäten gefeiert zu werden.

Ein Blick hinter die Kulissen der Hochschulen legt nahe, dass die Beschäftigten in der Wissenschaft von der aktuellen Entwicklung wenig profitieren. Manche sind sehr zufrieden mit ihrer Arbeit in Wissenschaft und Forschung, die meisten träumen aber nur von guter Bezahlung und sicheren beruflichen Perspektiven. Rund eine Viertel Million Menschen gehören zum wissenschaftlichen Personal an deutschen Universitäten - nur etwa jede zehnte Person hat auch eine Professur. Die Mehrheit der in der Wissenschaft an der Hochschule Arbeitenden gehört dem so genannten Mittelbau an. Die Zugehörigkeit zum Mittelbau ist offiziell im Hochschulgesetz geregelt. Die Mittelbauinitiative Oldenburg legt ein weites Verständnis des Mittelbaus zugrunde, um sich für eine grundlegende Reformierung der Personalstruktur einzusetzen.

Viele wissenschaftliche Mitarbeiter_innen machen ihren Doktor an der Universität, einige habilitieren sich auch, andere arbeiten in Forschungsprojekten. Manche sind auch nur als schlecht bezahlte wissenschaftliche Hilfskräfte angestellt. Es gibt auch immer mehr Lehrkräfte für besondere Aufgaben, die viel Lehre für wenig Geld anbieten müssen. Besonders schlecht oder teilweise gar nicht entlohnt werden Lehrbeauftragte, die keine Stelle an der Hochschule haben. Ursprünglich waren Lehraufträge zur Erweiterung des regulären Lehrangebots gedacht. Sie sollten von Personen, die außerhalb der Hochschule eine Beschäftigung haben, angeboten werden. Doch es gibt immer mehr, die ihren Lebensunterhalt als Lehrbeauftragte bestreiten müssen. Sie werden auf Honorarbasis bezahlt und sind oft nicht sozialversichert. Für diese „Lehrsklaven“, von denen es in Deutschland inzwischen mehr als Professor_inn_en gibt, bleibt eine Stelle an der Hochschule oft ein Wunschtraum.

Doch auch ein Job an der Uni kann schnell zum Alptraum werden. Viele Stellen werden nur als Zwangsteilzeitstellen vergeben. Beschäftigte mit einer halben Stelle gehen bisweilen mit einem monatlichen Gehalt von rund 1000 Euro nach Hause. Allerdings wird auf diesen Teilzeitstellen gewöhnlich ein Arbeitseinsatz wie auf einer vollen Stelle gefordert. Eine von ver.di durchgeführte Studie zur Arbeitsbelastung in der Wissenschaft zeigt deutlich, dass an Universitäten die meisten Teilzeitbeschäftigten Vollzeit arbeiten.

Weiterhin arbeiten immer mehr Menschen an der Hochschule nur auf Zeit. Noch vor einigen Jahren arbeiteten dort auch Wissenschaftler_innen, die dauerhaft angestellt oder auf Lebenszeit verbeamtet waren. Heute wird aber in der Wissenschaft abgesehen von den meisten Professor_inn_en kaum noch jemand überhaupt unbefristet angestellt. Statistisch kommen auf eine Dauerstelle an der Hochschule inzwischen neun befristete Beschäftigungsverhältnisse. Von diesen zeitlich befristeten Wissenschaftlicher_innen hat nur jede_r Zehnte einen Arbeitsvertrag, der eine Laufzeit von mehr als zwei Jahren hat. Über die Hälfte aller Beschäftigten im Mittelbau ist weniger als ein Jahr angestellt. Manche bekommen alle paar Monate einen neuen Arbeitsvertrag, was das Wissenschaftszeitvertragsgesetz möglich macht.

Die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft werden inzwischen auch öffentlich diskutiert. Nicht nur in Oldenburg, sondern auch an vielen anderen Universitäten organisieren sich Beschäftigte, um für ihre Interessen einzutreten. Bleibt zu hoffen, dass noch mehr Menschen aus dem Alptraum erwachen und sich für Veränderungen an den Hochschulen einsetzten – am besten, bevor ihr Arbeitsvertrag ausgelaufen ist.

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Zuletzt geändert: 2013/01/10 12:59